Zum Schulschluss: Dank an Lehrer!

Jedes Jahr aufs Neue überantworten wir den Schulen unser höchstes Gut, unsere Kinder. Von ihren Lehrern erwarten wir viel: Fachwissen, Sozialkompetenz, individuelle Förderung, Methodenvielfalt und vieles mehr. Was aber tagtäglich Lehrer wirklich leisten, ist kaum bekannt.

Im Gegenteil: Häufig sehen sich Lehrer Pauschalverurteilungen ausgesetzt! Denn bei der Beurteilung von Lehrerarbeit verlassen wir uns auf das meist vernichtende Urteil selbsternannter Bildungsexperten, die durch gekonnte Inszenierung einzig und allein die Verkaufszahlen ihrer Bücher steigern wollen.

Immer dann, wenn Politik und Gesellschaft mit einem Problem nicht zurechtkommen, wird es an die Schule delegiert, die damit anschließend alleine gelassen wird. Österreich hinkt, was das schulische Unterstützungspersonal betrifft, im internationalen Vergleich hinterher. Aber wenn wir der Schule immer neue erzieherische Aufgaben übertragen, müssen wir ihr auch mehr Unterstützung in Form von Schulpsychologen, Sozialarbeitern und administrativem Personal zur Verfügung stellen. Und wir müssen endlich damit aufhören, ständig im Bildungsbereich von Kostenneutralität zu reden. Dass Mehrleistung auch Mehrkosten verursacht, wird in der Wirtschaft unhinterfragt akzeptiert, nur im Schulbereich soll das plötzlich nicht mehr gelten.

Neben mehr Kooperation zwischen Elternhaus und Schule braucht es wieder mehr Vertrauen in die Expertise der Schule und mehr Wertschätzung für die Arbeit unserer Lehrer, die unter schwierigen Bedingungen einen hervorragenden Job erledigen. Ein einfaches „Danke“ am letzten Schultag vor den Sommerferien würde da oft schon genügen.

Dieser Beitrag erschien am 5.7.2018 in etwas gekürzter Form als Gastkommentar in der Tiroler Tageszeitung.

Irrt die Mehrheit grundsätzlich?

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Anita Heubacher beklagt am 11. Juni 2018 in der Tiroler Tageszeitung, dass 83 % der österreichischen Bevölkerung die von der Bundesregierung geplanten Deutschförderklassen gutheißen. Sie verweist auf „Experten“, die das kritisieren und vermutet, dass diese Werte auf unseriöse Art ermittelt worden sind. So weit – so schlecht! Oder wie formulierte es Bert Brecht 1953 nach dem Volksaufstand in der DDR: Das Volk hatte das Vertrauen der Regierung verloren und so beschloss die Regierung, sich ein neues Volk zu suchen!

Diese Deutschförderklassen sind grundvernünftig: Es wird ganz exakt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingegangen. Das Ausmaß der Deutschförderung soll zwischen 15 und 20 Wochenstunden intensives Sprachtraining im Rahmen der jeweiligen Gesamtwochenstundenanzahl betragen. Neben dem Besuch einer Deutschförderklasse sollen außerordentliche Schüler als Teil der Regelklassen geführt werden und an bestimmten Fächern und Aktivitäten des Regelunterrichts (z.B. Turnen, Werkunterricht, Klassen- und Schulausflüge etc.) teilnehmen. Die neuen Deutschförderklassen können mindestens ein bis maximal vier Semester besucht werden. Der Besuch der Deutschförderklasse ist so lange verbindlich, bis der Übertritt des Schülers aufgrund der standardisierten Testergebnisse in die Regelklasse nachweislich möglich ist.

Im Vordergrund müssen die Kinder stehen, die noch zu wenig Deutsch können, um dem Unterricht folgen zu können. Diese verdienen optimale Förderung, dabei dürfen auch Kosten anfallen. Das ist auf alle Fälle gut investiertes Geld. Auch ist klar darauf hinzuweisen, dass unsere Schulen bestehende Gesetze einhalten müssen – das gilt auch für das Gesetz über die Deutschförderklassen. Und: Dass einzig und allein in Österreich und Deutschland ein differenziertes Schulsystem bestehen würde, so wie Heubacher das glauben machen möchte, widerlegt ein kurzer Blick über den eigenen Tellerrand, sprich Landesgrenzen.

Dieser Text erschien in gekürzter Form am 16.6.2018 in der Tiroler Tageszeitung.

Es ist etwas faul im Schulhause Österreich – Eine Replik

Eine Replik auf Rainer Nowaks Leitartikel vom 25.5.2018 in der Tageszeitung „Die Presse“.

Sehr geehrter Herr Chefredakteur!

Sie sprechen dem angelsächsischen (Privat)Schulwesen das Wort. Über das dortige öffentliche Schulwesen verlieren Sie bezeichnenderweise keine einzige Silbe. Wohl aus gutem Grund, denn in kaum einer anderen Gegend der Erde ist die Kluft zwischen jenen, die sich teure Privatschulen leisten können und daher gute Bildung erhalten und jenen, die das nicht können, größer als in England bzw. den USA. Und die Ursache, warum man tunlichst alle Aufgenommen auch bis zum Ziel bringen muss, liegt wahrscheinlich zu einem guten Teil in Schulgeldern, die um die 50.000 Euro und mehr pro Jahr und Kind betragen können. Darauf möchte man eher ungern als privater Schulbetreiber verzichten, abgesehen davon, dass die zahlenden Eltern eine Gegenleistung für ihr Geld sehen wollen.

Aus Sicht eines Chefredakteurs, der täglich seine Zeitung füllen muss, mag das ewig junge Spiel „Regierung gegen Lehrergewerkschaft“ durchaus Sinn machen, bietet es doch so manch „nette“ Geschichte. Allerdings muss ich Sie enttäuschen. Möchte man Veränderungen und Reformen umsetzen, dann gelingt das in der Regel mit den Betroffen besser, als gegen sie. Nun tritt man im Gegensatz zu Arbeiter- und Wirtschaftskammer einer Gewerkschaft freiwillig bei, kann sogar monatlich austreten, trotzdem ist die große Mehrheit der österreichischen Lehrerinnen und Lehrer Mitglied in der GÖD. Ein kurzer Blick in die jüngere Geschichte zeigt die Sinnhaftigkeit von Reformen ohne Einbindung der Betroffenen. Wie gesagt, aus Sicht des Schulsystems. Aus Ihrer Sicht macht das in Form von Artikeln wahrscheinlich schon Sinn.

Gerade die Zentralmatura in Mathematik ist ein schönes Beispiel dafür, wie man Reformen ohne jegliche Bodenhaftung umsetzen und gleichzeitig in den Sand setzen kann. Für die vielen Oberstufenformen der AHS gibt es genau eine Version der Mathematikmatura (während in der BHS jede Schulart und auch innerhalb der Schularten in viele Versionen unterschieden wird). So passiert es, dass ein naturwissenschaftlicher Zweig mit 4 Stunden Mathematik pro Woche von der 5. bis zur 8. Klasse die gleiche Angabe bekommt wie ein neusprachlicher Zweig, der in der Oberstufe nur 3 Stunden Mathematik pro Woche, in Summe also ein Jahr weniger Mathematik in der Oberstufe genossen hat. Noch skurriler wird es, wenn man sich die Benotung und den Punkteschlüssel ansieht. Ein Punkt an der falschen Stelle weniger und man fällt vom 2er auf den 5er…

Nicht dass die Lehrergewerkschaften im Verein mit den Fachkollegen schon lange vor der Einführung der Zentralmatura auf diese und viele andere Schwachstellen hingewiesen hätten, doch auch damals war es modern, gegen die Fachexpertise der Betroffenen Reformen durchzudrücken. Die Konsequenzen daraus müssen nun Generationen von Maturanten ausbaden. Aber immerhin haben die Zeitungen damals wie heute etwas zu schreiben …

Neuer Stil am Minoritenplatz

Wenn man der Agitation der inner- und außerparlamentarischen Opposition in den sozialen Netzwerken und in einschlägigen Medien Glauben schenken darf, dann steht Österreich bildungspolitisch kurz vor dem Abgrund. Denn all die segensreichen Errungenschaften und Reformen aus mehr als einem Jahrzehnt sozialistischer Bildungsministerinnen stehen mit dem Antritt der neuen Bundesregierung nun plötzlich auf dem Prüfstand. Klar, dass das in manchen Kreisen zu hyperventilierender Schnappatmung führt.

Im krassen Gegensatz dazu amtiert der neue Bildungsminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann:

Anstatt einer Vielzahl an Reformen ausschließlich der Reform willen, ist es nun sogar möglich, bei einzelnen Projekten eine zusätzliche Nachdenkpause ob der Sinnhaftigkeit der geplanten Maßnahme einzulegen. So geschehen etwa bei der Neuen Oberstufe, die um weitere zwei Jahre bis zum Schuljahr 2021/22 aufgeschoben werden kann, um so mehr Zeit für Evaluation und Vorbereitung zu bekommen.

Anstatt ideologisch motivierter und sündteurer Schulversuche mit zweifelhaftem Mehrwert für die Kinder, kehrt man nun zum pädagogischen Hausverstand zurück. Dann etwa, wenn man von der siebenteiligen Notenskala in der NMS wieder zur gewohnten fünfteiligen zurückkehrt oder wenn man in der Volksschule wieder die Beurteilung mittels Noten einführt (natürlich kann auch weiterhin parallel zu den Noten eine verbale Beurteilung ergänzt werden).

Anstatt die Augen vor gravierenden sozialen und gesellschaftlichen Problemen an unseren Schulen zu verschließen, setzt man nun Maßnahmen, die den Lehrerinnen und Lehrern tatsächlich weiterhelfen. Dann etwa, wenn man mittels zusätzlicher Deutschförderklassen im Ausmaß von 15 Wochenstunden in der Volksschule und 20 Wochenstunden in der NMS bzw. AHS-Unterstufe sicherstellt, dass Schülerinnen und Schüler mit Sprachdefiziten möglichst schnell so gut Deutsch beherrschen, um dem Unterricht folgen zu können. Oder wenn man den administrativen Aufwand bei der Ahndung von Schulpflichtverletzungen deutlich senkt. Oder wenn man nun daran geht, veraltete Erlässe und ministerielle Rundschreiben einfach zu entsorgen, um so die Schulbürokratie deutlich abzuspecken.

Alles Selbstverständlichkeiten, könnte man meinen. Und trotzdem stellt der ruhige, sachliche und lösungsorientierte Stil des neuen Bildungsministers einen wohltuenden Bruch zu den bisherigen ministeriellen Gepflogenheiten dar.

Mit der Gesamtschule gewinnt man keine Wahl!

2013: Die Tiroler Volkspartei propagiert kurz vor der Landtagswahl entgegen ihrem Parteiprogramm die Gesamtschule und will so Veränderung und Modernität signalisieren. Es folgte das historisch schlechteste Ergebnis bei Landtagswahlen und das Absacken unter die 40 % Marke.

2018: Von der Gesamtschule ist im Wahlkampf der Tiroler Volkspartei nichts mehr zu hören. Im Gegenteil: Sowohl Landeshauptmann, als auch Klubobmann versichern im persönlichen Gespräch immer wieder, dass an der Struktur der Tiroler Gymnasien nicht gerüttelt wird. Die Tiroler Volkspartei legt um knapp 5 Prozentpunkte zu und geht als klarer Wahlgewinner durchs Ziel.

Die Botschaft ist klar: Mit der Gesamtschule gewinnt man keine Wahl!

Microsoft und die Dienstemailadressen der Lehrer

Nachdem seit Jahrzehnten Schulen und teilweise auch ganze Bundesländer für ihre Lehrerinnen und Lehrer dienstliche Emailadressen zur Verfügung stellen, macht sich – zwar mit einiger Verspätung, aber immerhin – auch das Bildungsministerium auf diesen Weg, wie man in einem Rundschreiben vom 3.11.2017 nachlesen kann. Wenn es schon keine ordentlichen Arbeitsplätze oder passende Endgeräte für Lehrerinnen und Lehrer gibt, dann zumindest eine bundesweit einheitliche Emailadresse nach dem Muster vorname.nachname@bildung.gv.at, könnte man auf den ersten Blick meinen.

Doch wie so oft, trügt auch hier der erste Eindruck. Denn wer im Vertrauen auf die seriös wirkende Domain „bildung.gv.at“ glaubt, dass das Bildungsministerium für die mehr als 40.000 Bundeslehrerinnen und -lehrer die technische Infrastruktur in Form von Emailservern in Österreich zur Verfügung stellt, der irrt. Lehrerinnen und Lehrer, die sich wie vorgesehen ab morgen für die neue Emailadresse registrieren, finden sich relativ rasch auf der Microsoft-Webapplikation „Outlook.com“ wieder. Offenbar hat das Bildungsministerium die Administration und den Betrieb der Dienstemailadressen an den Großkonzern Microsoft ausgelagert.

Und damit Microsoft auch das Alleinstellungsmerkmal im Bundeslehrerbereich erhält, wird in besagtem Rundschreiben und den zugehörigen Dokumenten gleich mitverordnet, dass

  • mit 1.1.2019 alle bisherigen Dienstemailadressen ihre Gültigkeit verlieren (bis dahin darf man von dort gnädigerweise eine Weiterleitung auf die neue bildung.gv.at-Adresse einrichten),
  • eine Weiterleitung von der bildung.gv.at-Adresse auf eine andere schulische oder private Emailadresse nicht zulässig ist,
  • das Abrufen dieser Adresse nur über das Microsoft-Produkt „Outlook Office 365“ oder die Microsoft-eigene Webapplikation „Outlook.com“ technisch machbar sein wird.

Uneigennützig, wie der Microsoft-Konzern nun einmal ist, wird er sicher keinen Gebrauch der sich dadurch eröffnenden Möglichkeiten (von der gezielten Bewerbung hauseigener Produkte bis zum maschinellen Auslesen der dienstlichen Emailkommunikation aller österreichischen Bundeslehrerinnen und -lehrer) machen. Ob das Bildungsministerium Microsoft für die Administration und den laufenden Betrieb der Dienstemailadressen bezahlt und wenn ja, in welcher Höhe, ist nicht bekannt.

Als allerdings vor einigen Jahren bekannt wurde, dass BIFIE-Daten inklusive der Emailadresse vieler Lehrerinnen und Lehrer auf rumänischen Servern frei zugänglich liegen, kam die damalige Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek gehörig ins Schwitzen. Zu Recht, wie ich meine. Nun scheint es niemanden zu stören, dass man nicht einmal das Land kennt, in dem die Microsoft-Server mit der dienstlichen Kommunikation tausender österreichischer Lehrerinnen und Lehrer stehen.

Andreas Salcher: Vom Saulus zum Paulus?

Gestern hat sich der Nationalrat nach der Wahl vom 15. Oktober neu konstituiert. Parallel dazu laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und der FPÖ nun auch auf inhaltlicher Ebene in den diversen Untergruppen. Für einige Verwunderung bzw. Verärgerung hat dabei die Nominierung von Andreas Salcher als ÖVP-Experte für den Bereich Bildung gesorgt.

Salcher war am 7. November beim Bildungsforum der Wirtschaftskammer Vorarlberg zu Gast und natürlich verfolgte man gespannt seine Ausführungen. Zur allgemeinen Überraschung scheint sich Salcher vom Saulus zum Paulus gewandelt zu haben, wenn man folgende Zitate von ihm in dieser Veranstaltung liest:

„Nicht jedes Kind ist hochbegabt – und nicht jedes Kind kann alles erreichen.“

„Wenn wir diese unterschiedlichen Talente entsprechend fördern, werden die Unterschiede größer.“

„Gleiche Chancen für alle trotz unterschiedlicher sozialer Voraussetzungen halte ich für nicht möglich.“

„Chancengerechtigkeit heißt, dass ich ein Kind nach seinen Möglichkeiten fördere.“

Im Hinblick auf seine Beratertätigkeit bei Sebastian Kurz, die er mehrfach betonte, formulierte er ein von ihm favorisiertes Bildungsziel:

„Wir müssen uns als nationales Ziel setzen, die besten Kindergärten und Volksschulen der Welt zu haben. (…) Dann haben wir automatisch nach zehn Jahren eines der besten Bildungssysteme der Welt. (…) Wir müssen aber besonders die Kindergartenpädagogen deutlich besser bezahlen.“

„Wir sollten das erste Land sein, das nicht nur die kognitiven Fähigkeiten misst, sondern auch die sozialen.“

Wiewohl ich die Verwunderung über die Nominierung Salchers nachvollziehen kann, erscheint mir angesichts dieser Zitate nun wieder eine gewisse Gelassenheit angebracht. Man wird Salcher im Bedarfsfall an seine Zitate erinnern. Und die ÖVP an ihr Wahlprogramm zur Nationalratswahl, das im Bereich Bildung durchaus erfreulich ist. Man kann es hier herunterladen.

Stirbt Österreich aus?

„Bei drei Millionen Erbschaften im Jahr sehen wir da Ansatzpunkte für eine Besteuerung. Etwa nach dem deutschen Modell, wo bei der Firmenweitergabe in der Familie nichts anfällt, sondern nur bei einem Unternehmensverkauf“, so Christian Kern in einem Interview mit der Kronenzeitung vom 13.8.2017.

Drei Millionen Erbschaften – kann das stimmen?

Erben hängt – zumindest nach meinem Verständnis – ursächlich mit einem Todesfall zusammen. Nicht von ungefähr versteht auch das österreichische Behördenportal help.gv.at unter Erbrecht alle Vorschriften, die die Rechtsnachfolge das Vermögen betreffend eines Verstorbenen regeln. Dem zufolge müssten dann für drei Millionen Erbschaften drei Millionen Todesfälle zu beklagen sein, mehr als jeder dritte Österreicher!

Doch ein Blick auf die Daten der Statistik Austria bringt eine „beruhigende“ Zahl ans Tageslicht: Im Jahr 2016 starben in Österreich 80.669 Menschen. Österreich läuft also doch nicht in Gefahr, binnen weniger Jahre völlig ausgestorben zu sein, zumal im Jahr 2016 in Österreich auch knapp 88.000 Kinder das Licht der Welt erblickten.

Wie sagte schon Michael Häupl so treffend: „Wahlkampfzeiten sind Zeiten fokussierter Unintelligenz.“ Dem ist nichts hinzuzufügen …

Dank an die Lehrerinnen und Lehrer!

Es gibt sie noch immer, die jährlich wiederkehrenden medialen „Aufreger“ in der Bildungsdiskussion.

Da wäre zum einen die Nachhilfestudie der Arbeiterkammer, die den Eindruck vermitteln will, Österreich stünde vor dem Bildungsabgrund. Nicht erwähnt wird, dass 85 % der Befragten angeben, keine Nachhilfe zu benötigen. Ebenso verschwiegen wird, dass in die kolportierten Ausgaben für Nachhilfe auch Kosten für Feriencamps eingerechnet wurden. Und da wäre zum anderen die Diskussion über die Länge der Sommerferien, die pünktlich zu Schulschluss von selbsternannte Bildungsexperten losgetreten wird.

In beiden Fällen würde ein Blick über den Tellerrand lohnen. Denn sowohl bei den Nachhilfekosten als auch bei der Länge der Sommerferien liegt Österreich im internationalen Vergleich deutlich im unteren Drittel. Und: Diese Diskussionen gehen an den echten Problemen unserer Schulen meilenweit vorbei! Eine Bildungsreform jagt zwar die nächste, doch der Nutzen für unsere Kinder ist maximal in homöopathischen Dosen feststellbar.

Statt Dauer-Reformitis brauchen wir wieder Ruhe, Kontinuität, pädagogischen Hausverstand und Verlässlichkeit im Schulsystem. Statt Lehrerbashing brauchen wir mehr Vertrauen und mehr Wertschätzung für unsere Lehrerinnen und Lehrer, die unter schwierigen Bedingungen einen ganz hervorragenden Job erledigen! Ein einfaches „Danke“ am letzten Schultag vor den Sommerferien würde schon oft genügen.

Dieser Kommentar erschien am 7.7.2017 in der Tiroler Tageszeitung.

Schulsprengel, das unbekannte Wesen

Geplant war es wohl als medialer Befreiungsschlag, das große Ö3-Interview „Frühstück bei mir“ mit Unterrichtsministerin Hammerschmid am 23.4.2017. Ablenken wollte man von den mühsamen Verhandlungen zum Autonomiepaket und vor allem von den schweren Vorwürfen hinsichtlich der „Causa AWS“. Geworden ist es ein erschreckender Beweis über die Unkenntnis unserer Unterrichtsministerin in Sachen Schulrecht.

Gegen Ende des Interviews wurde auch über die Volksschule gesprochen. Hammerschmid erzählte, dass ihre Nichte demnächst in die Volksschule kommt. Auf die Frage, welche Volksschule sie ihr empfehlen würde, kam sinngemäß folgende Antwort: „Auf alle Fälle eine öffentliche, ich würde mich gut informieren und mich dann für eine entscheiden, die klassenübergreifend arbeitet und sich der Reformpädagogik verpflichtet fühlt. (…) Ich würde eine Volksschule suchen, die Schwerpunkte im Bereich der Musik, aber auch der Technik setzt.“ Offenbar ist Unterrichtsministerin Hammerschmid der Meinung, dass man quasi im gesamten Angebot an Volksschulen eines Bundeslandes frei wählen könnte.

Aus den Äußerungen Hammerschmids kann abgeleitet werden, dass die Familie besagter Nichte in Wien wohnt. Also lohnt der Blick ins Wiener Schulgesetz. Unter Abschnitt III „Schulsprengel“ liest man dort in den Paragraphen 47 und 48:

§ 47 (1) Sprengelangehörig sind jene Schulpflichtigen, die im Schulsprengel, wenn auch nur zum Zwecke des Schulbesuches, wohnen.
§ 47 (2) (…) ist jeder Schulpflichtige in eine für ihn nach der Schulart in Betracht kommende Schule, deren Schulsprengel er angehört, aufzunehmen.
§48 (1) Die Gemeinde Wien kann die Aufnahme eines Schülers in eine Pflichtschule verweigern, wenn er dem Sprengel dieser Schule nicht angehört.

Mit anderen Worten: Man kann keineswegs eine öffentliche Volksschule nach Belieben für sein Kind aussuchen, sondern wird aufgrund der Wohnadresse einer öffentlichen Schule zugewiesen. Und das ist nicht nur in Wien so, sondern alle Bundesländer regeln die Schulzuweisung in ihren Landesschulgesetzen in ähnlicher Weise. Auswählen kann man lediglich bei Privatschulen. Die wurden von Hammerschmid aber explizit ausgenommen.

Offen bleibt daher nur mehr die Frage, ob Hammerschmid der Begriff „Schulsprengel“ und seine Bedeutung wirklich unbekannt ist.